Erfahrungsbericht – Auslandssemester in Kanada

Erfahrungsbericht – Auslandssemester in Kanada

Etwa ein Jahr vor meinem Auslandsaufenthalt habe ich damit begonnen, mich zu informieren und mich für ein Land und ein Austauschprogramm zu entscheiden.

Vorbereitungen

Das Land

Etwa ein Jahr vor meinem Auslandsaufenthalt habe ich damit begonnen, mich zu informieren und mich für ein Land und ein Austauschprogramm zu entscheiden. Da ich schon einige Jahre zuvor mit meiner Familie in Kanada war und mich in das Land verliebt habe, stand meine Entscheidung sehr schnell nachdem ich erfahren habe, dass es an der Universität Hohenheim die Möglichkeit gibt, nach Kanada zu gehen, fest.

Zwar basierten meine Erinnerungen auf Kanadas Westen und der Osten ist noch einmal eine ganz andere Welt, doch ich habe meine Entscheidung kein einziges Mal bereut. Kanada ist ein unglaublich tolles Land, welches sehr viel zu bieten hat.

Die Uni

Für das Programm kann man drei Präferenzen angeben, meine waren: University of Ottawa (Ottawa), York University (Toronto) und Queens University (Kingston). Die University of Ottawa ist nicht nur eine tolle internationale Universität, sondern ist auch gerade für Kommunikationswissenschaftler interessant. Die Studiengänge Communications, Political Science und PR haben sehr interessante Kurse und man hat eine große Auswahl, da man als Austauschstudent Kurse verschiedener Programme besuchen kann und nicht auf eines beschränkt ist.

OBW

Die Universität Hohenheim ist eine der teilnehmenden Universitäten des Ontario-Baden-Württemberg-Austauschprogramms (OBW) und als Student hat man daher die Möglichkeit für ein oder zwei Semester an einer der teilnehmenden Universitäten in Ontario zu studieren. Das Programm bietet Austauschstudenten zahlreiche Vorteile. Man muss etwa im Ausland keine Studiengebühren zahlen, was je nach Universität bis zu 16.000 Dollar sein können. Zudem bekommt man große Unterstützung bei der Planung und Kommunikation mit der Partnerhochschule und es gibt verschiedene Informationsseminare, wie das in Bad Herrenalb im Mai vor der Abreise und das in Toronto, im August also direkt bei der Ankunft in Kanada. Auf diesen Seminaren bekommt man zahlreiche Informationen über Kanada, den Bewerbungsprozess, die Vorbereitungen und vieles mehr.

Bewerbung, Visum, Wohnen

Die Vorbereitungen auf ein Auslandssemester sind keinesfalls zu unterschätzen. Zwar bekommt man über das OBW-Programm Unterstützung, doch der Arbeitsaufwand bleibt hoch.

Zunächst einmal geht es darum, einen Platz im Programm und an der Wunschuniversität in Kanada zu bekommen. Der Bewerbungsprozess verläuft in zwei Stufen. Zunächst einmal bewirbt man sich über die eigene deutsche Universität beim Programm. Die Bewerbungsfrist liegt im August/ September des Jahres vor dem Auslandsaufenthalt. Für die Bewerbung benötigt man

  • Ein vollständig ausgefülltes Bewerbungsformular
  • Ein Motivationsschreiben
  • Empfehlungsschreiben von mindestens zwei Professoren
  • Aktueller Notenspiegel
  • Sprachnachweis (TOEFL)

Macht auf jeden Fall rechtzeitig einen Termin für den TOEFL aus. Oft gibt es eine Warteliste für den nächsten freien Termin, außerdem kann es mehrere Monate dauern, bis ihr eure Ergebnisse bekommt.

Hat man die Bewerbung eingereicht, heißt es erst einmal Warten und Ungewissheit. Etwa Ende des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres gibt es ein Auswahlgespräch mit den Bewerbern, die es in die nächste Runde geschafft haben. Zwei bis drei Wochen später bekommt man dann den Bescheid, ob man im Programm aufgenommen wurde oder nicht.

Nun kommt der zweite Teil der Bewerbung, der auf die jeweilige Universität. Für jede der drei Präferenzen muss man nochmals ein Motivationsschreiben anfertigen, in dem man die Wahl der Universität auch mit Berücksichtigung der möglichen Kurswahlen begründen muss. OBW intern wird dann ausgewählt, welche Universität man bekommt und in manchen Fällen muss man dann noch einmal ein Bewerbungsformular direkt für die Uni ausfüllen. Spätestens bis zum Seminar in Bad Herrenalb im Mai sollte man dann die definitive Zusage der Universität haben.

Mit der Zusage beginnt dann der nächste Planungsschritt. Man muss passende Kurse aussuchen und sich einschreiben lassen, die Bewerbung für das Visum muss so bald wie möglich weggeschickt werden, man braucht eine Wohnung und muss seinen Flug buchen.

Die Bewerbung auf das so genannte „Study Permit“ erfolgt online auf der Seite der kanadischen Regierung. Für eine vollständige Bewerbung muss man einige Dinge nachweisen können wie zum Beispiel

  • Acceptance Letter der Universität
  • Nachweis der finanziellen Ressourcen
  • Reisepass (gültig bis mindestens 6 Monate nach Ausreise aus Kanada!)

Bis man die Zusage zu einem Visum bekommt können zwei Monate vergehen, daher so bald wie möglich bewerben. Man bekommt dann eine Bestätigung, dass man ein Visum erhält, diese muss man mit zum Flughafen nehmen. Das eigentliche Visum bekommt man dann bei der Einreise.

Viele raten einem, vor Ort eine Wohnung zu suchen, da man sich dann sicher sein kann, dass diese auch in Ordnung ist. Ich persönlich finde es jedoch sinnvoller, schon eine Wohnung zu haben, bevor man ankommt. Man spart sich so einige Nerven. Ich würde empfehlen, über die Uni oder über ehemalige OBW’ler eine Wohnung zu suchen. Über eine solche Empfehlung habe ich ein Zimmer in einer 4-er WG direkt an der Uni gefunden. Andere, die vor Ort gesucht haben, hatten Probleme etwas zu finden, da im August alle Studenten auf der Suche sind.

Bei der Buchung des Flugs kann ich empfehlen, den Rückflug gleich mit zu buchen. Ein Round-Way Ticket kommt im Endeffekt sehr viel günstiger als ein One-Way Ticket. Achtet jedoch darauf, dass ihr den Rückflug vom Datum her umbuchen könnt. Sobald ihr wisst, wann ihr genau nach Hause wollt, könnt ihr den Flug dann noch einmal ändern. Problematisch kann das nur dann werden, wenn man am Ende des Aufenthaltes noch eine größere Reise unternehmen möchte und von einem anderen Flughafen nach Hause fliegt. In meinem Fall hat es sich auch finanziell gelohnt, nach Montreal zu fliegen anstatt nach Ottawa. Man kann so von Stuttgart mit einem Zwischenstopp nach Montreal fliegen und von dort ist man in zwei Stunden mit dem Greyhound in Ottawa, dieser fährt auch direkt am Flughafen ab und man kann einiges an Geld sparen.

Vor der Abreise muss man sich auch um eine passende Auslandskrankenversicherung kümmern. An der University of Ottawa ist es Pflicht, sich über die Studentenversicherung UHIP zu versichern. Diese ist jedoch in der Regel nicht ausreichend, da sie nicht alle Leistungen abdeckt und außerhalb Ontarios nur begrenzt gültig ist. Daher ist es wichtig, noch eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abzuschließen, um ausreichenden Schutz zu haben. Zwar muss man trotz separater Auslandskrankenversicherung den Beitrag für die UHIP zahlen, jedoch kann man dann auch bei kleineren Krankheiten den Arzt und die Apotheke direkt auf dem Campus nutzen.

Wer ein Stipendium und finanzielle Unterstützung braucht, hat verschiedene Möglichkeiten. Die Bewerbungsfrist für Stipendien des DAAD liegt schon ein Jahr vor dem Auslandsaufenthalt, wenn man noch nicht einmal weiß, ob man einen Platz bekommt. Als Alternative bietet sich das Baden-Württemberg Stipendium an, für welches die Bewerbungsfrist im März liegt. Die Universität Hohenheim bietet außerdem Reisekostenzuschüsse, für welche man noch relativ kurzfristig den Antrag stellen kann.

Ankunft & Semester 1

Ottawa

Ottawa ist eine wunderschöne Stadt und ich habe mich schon in den ersten Tagen verliebt. Im Gegensatz zu anderen Großstädten ist es sehr entspannt und angenehm, was vor allem an den vielen Parks, dem Kanal und dem Fluss liegt. Gerade bei der Ankunft im Sommer kann man das noch richtig genießen.

Gleich am Anfang habe ich viele andere „Internationals“ kennen gelernt und wir haben zusammen die Stadt und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten erkundigt. Dazu gehören natürlich das Parlament, der Rideau Kanal, der Byward Market und noch einiges mehr. Jeden Donnerstag kann man nach 17:00 kostenlos in alle Museen in Ottawa, was auch sehr lohnenswert ist. Gerade das Museum of Civilization hat mich begeistert.

Bis Ende August findet am Parlament täglich eine Lichtershow statt, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Die Geschichte Kanadas und Ottawas wird in beeindruckenden Bildern auf die Fassade des Parlaments projiziert. Das Ganze dauert etwa eine halbe Stunde und man kann sich gemütlich vor dem Parlament auf den Rasen setzen.

Auch die Wohngegend, in welcher ich meine Wohnung hatte war super. Das Viertel nennt sich „Sandy Hill“ und ist ein komplettes Studentenviertel, da es direkt an der University of Ottawa liegt. Man braucht zwischen 10-20 zum Campus wenn man läuft, mit dem Fahrrad ist man nochmal einiges schneller. Gleichzeitig ist man auch super schnell Downtown, wenn man hier wohnt und man muss so gut wie nie mit dem Bus fahren.

Semester 2

Winter in Kanada

Das zweite Semester beginnt in Kanada im Januar. Nun hatte der kanadische Winter richtig zugeschlagen. -25° und 40cm Neuschnee in einer Nacht waren auf einmal Alltag. Ich kann nur sagen, dass ich den Winter in Kanada geliebt habe, es ist etwas ganz anderes als der Winter in Deutschland. An die kalten Temperaturen gewöhnt man sich erstaunlich gut und der viele Schnee in Kombination mit den vielen Sonnentagen verwandelt alles in ein Wintermärchen.

Auch Ottawa und die University of Ottawa haben im Winter wirklich viel zu bieten. Man kann Schlittschuhlaufen auf der weltweit längsten Eislaufbahn, nämlich dem Rideau Kanal, der im Winter umfunktioniert wird. Das ist wirklich eine der tollsten Winteraktivitäten und es macht unglaublich viel Spaß. Außerdem findet Anfang Februar das Winterlude Festival statt, bei dem talentierte Künstler ihre Eisskulpturen ausstellen.

Auch an der Uni gibt es ein Winterfest, bei dem man sich von Schlittenhunden ziehen lassen kann und ein weiteres Highlight war ein Ski- und Snowboardcontest auf dem Campus. Des Weiteren organisiert die Uni viele Ausflüge, an denen man teilnehmen kann. Dazu gehören etwa Schlittenhunde und Ski-Do fahren, Snow-Tubing, Schneeschuhwandern, Skifahren am Mont Tremblant, ein Tag in einem Spa und vieles mehr. Informationen über diese Ausflüge bekommt man vom International Office.

Menschen

Der wichtigste Teil eines Auslandssemesters sind die Menschen, mit denen man die Zeit im Ausland verbringt und die alle Erfahrungen miterleben. In Ottawa gibt es eine große Gemeinschaft aus Austauschstudenten und internationalen Studenten, so hat man die Möglichkeit, Menschen aus aller Welt kennen zu lernen. Meiner Erfahrung nach sind diese sehr viel offener und man findet sehr schnell Freunde. Das liegt vor allem daran, dass alle neu sind und alle dieselben Erfahrungen machen, dieselben Sorgen haben und die Zeit im Ausland voll ausnutzen wollen.

Enge Freunde unter den Kanadiern zu finden ist etwas schwieriger aber mit ein klein wenig Anstrengung kann man wirklich gute Freundschaften schließen. Wichtig ist, dass man selbst dran bleibt und sich bemüht. Engagement in einem Sport oder einem anderen studentischen Club ist eine tolle Art Kanadier kennen zu lernen.

Insgesamt sind Kanadier wohl die freundlichsten Menschen, die mir je begegnet sind. In jedem Geschäft wird man mit einem „How are you?“ begrüßt und alle sind super freundlich, höflich und hilfsbereit. Wenn sie erfahren, dass man aus dem Ausland ist sind sie gleich noch mehr begeistert.

Den größten Fehler, den man im Ausland machen kann, ist sich abzuschotten und darauf zu warten, dass andere zu einem kommen. Nehmt jede Gelegenheit mit, neue Leute kennen zu lernen und gemeinsam zu Reisen oder zu Feiern. Man kann so viele unterschiedliche und tolle Menschen kennen lernen, welche die Zeit im Ausland unvergesslich machen.

Reisen

Ein großer Teil des Auslandsaufenthaltes ist natürlich auch das Reisen. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, ein Land so ausgiebig zu erkunden. In Kanada reist man am besten ganz zu Beginn des Aufenthaltes oder nach dem zweiten Semester. Im Winter bieten sich höchstens Städtetrips oder Skiausflüge an. Wer jedoch die atemberaubende Natur des Landes kennen lernen möchte, sollte dies ohne Schnee machen.

Ich selbst bin hauptsächlich im September und Oktober gereist, zum Höhepunkt des „Indian Summer“, also der Zeit, in der das sich verfärbende Laub ein atemberaubendes Schauspiel liefert. Ich hatte das Glück, in einer Dreiergruppe einen Camper zu mieten und so erlebte ich einen unvergesslichen „Road Trip“. Der große Vorteil ist, dass man super flexibel ist und wirklich alles machen kann, was man möchte. Wir haben alle wichtigen Orte um Ottawa abgefahren, dazu gehören: Montreal, Quebec City, Tadoussac, Algonquin National Park, Toronto, Niagarafälle und Kingston. Schon auf der Fahrt kommt man an tollen Gegenden vorbei und kann überall anhalten und Bilder machen. Außerdem ist man nicht an Buchungen gebunden und kann dort länger bleiben, wo es einem gut gefällt. Wer sich das auch überlegt, sollte den Camper aus Deutschland buchen, dann kommt man verhältnismäßig günstig davon.

Über die Uni konnte ich außerdem noch einen Wochenendausflug nach New York machen und aufgrund der geringen Distanz war ich mehrere Male in Montreal. Im Winter bietet sich auch ein Trip ins Skigebiet Mont Tremblant an, solche Ausflüge werden ebenfalls von der Uni angeboten.

Ottawa ist ein toller Ausgangspunkt für Reisen, da man sich so ziemlich in der Mitte befindet und sowohl nach Nordosten als auch nach Südwesten gut reisen kann. Auch die Ostküste der USA ist relativ gut erreichbar. Wer mehr Zeit hat kann sich auch überlegen, eine Reise nach Vancouver und Kanadas Westküste zu machen und in der Spring Break Woche ist es unter kanadischen Studenten Tradition, eine Woche in Kuba am Strand zu verbringen.

Ich kann nur jedem empfehlen, so viel wie möglich zu reisen. Kanada bietet atemberaubende Landschaften, tolle Städte und man macht die tollsten Erfahrungen während dieser Zeit.

Inga Frey
Kommunikationswissenschaften
Universität Hohenheim
August 2013 – April 2014